27.09.2016
Die Geister, die ich rief.
Erika Berger (die ich gerade Erika Krause nennen wollte, so präsent ist sie mir noch) ist nicht mehr, Doktor Borrmann erklärt uns schon länger nix mehr, Jürgen Domian hat keine Lust mehr und Doktor Sommer ist einfach nicht mehr das, was er früher einmal war - ich habe die unbequeme Vermutung, dass wir uns in Zukunft die Welt wieder selbst erklären sollen. Das gefällt mir nicht, aber das ist so. Und deswegen möchte ich heute in unserem viel besuchten Stuhlkreis hier den Reigen für brennende Themen eröffnen. Ich fang' an und schlage freiwillig ein erstes Thema vor: Ghosting (Wikipedia | Süddeutsche Zeitung | Die Zeit).
Kennen sie Ghosting? Ich hatte den Begriff zwar schonmal gehört, aber er war kein Teil meines regulären Vokabulars. Nachdem aber zwei Freunde unabhängig voneinander auf den neuesten Schwank aus meinem verkorksten Dating-Leben mit "Oh, Gosting!" reagierten, wusste ich, dass ich nun stolze Betroffene bin. Ich erinnere mich noch, wie E. aus B. an der S. mich an einem lauschigen August-Abend im Jahr 2014 immer wieder darauf hinwies, wie unfassbar ärgerlich es ist, dass jemand, der so gut aussieht wie ich, eine so beschissene Stimme haben muss, nachdem er für dieses Date extra aus B. an der S. angereist war. Und wie erfrischend ehrlich ich das fand, nachdem ich zu diesem Zeitpunkt Körbe à la "Du, ich hab grad' 'n ganz schlimmen Schnupfen, aber ich meld' mich auf jeden Fall, wenn der vorbei ist." ohne dann jemals wieder etwas von betroffener, x-beliebiger, verschnupfter Person zu hören, gewohnt war. Der sagt wenigstens offen und ehrlich, warum er mich scheiße findet, während die anderen Luschen nur zu feige sind, mir den wahren Grund für ihr Desinteresse zu nennen, dachte ich. Dass sich die anderen Luschen aber wenigstens die Mühe gemacht haben, ihr Handy in die Hand zu nehmen und sich eine fadenscheinige Ausrede einfallen zu lassen, die mich besänftigen sollte, weiß ich erst jetzt zu schätzen.
Es war einmal ein unglaublich sympathischer, lustiger und attraktiver junger Mann, der alles hatte, was ich mir jemals erträumt habe, der mir 1000 liebe Dinge sagte, der mich seinen Freunden vorstellte, der mir nach dem fünften Date sagte, dass ich nun, da ich eine Zahnbürste bei ihm habe, aber auch häufiger zu ihm kommen muss und der mich jetzt seit 3 Wochen komplett ignoriert. Und bevor ich wusste, wie das ist, hätte ich nie gedacht, wie sehr einen das an den Rand des emotional Erträglichen bringen kann. Wikipedia erklärt dazu "Ghosting-Opfer können in ein grundsätzliches Gefühl der Verunsicherung rutschen, oder unter ungünstigen Umständen in eine tiefe Krise geraten." und im Erklär-Artikel der Süddeutschen heißt es, dass ein verletztes Selbstwertgefühl eine der ärgsten Komplikation von Ghosting sein kann. Wer mich kennt, oder hier ab und zu mal reinblättert, erkennt an dieser Stelle bereits das ultimate recipe for desaster. Aber man versucht es sich ja trotzdem noch irgendwie schön zu reden. Wenn absolut gar nichts mehr von der anderen Seite kommt, kann man sich zum Beispiel wunderbar einreden, er wäre spontan verstorben. Funktioniert allerdings nicht, wenn die andere Seite alle 3 Tage ihr Profilbild bei Whatsapp ändert. Versucht man also, eine möglichst schöne, akzeptable Begründung für inakzeptables Verhalten zu finden - meine Lieblings-Geschichte war, dass sein Ex wieder an der Tür geklopft hat und die beiden jetzt versuchen, ihre angeknackste Liebe zu kitten. Funktioniert allerdings auch nicht, wenn er direkt mein Viel-Körper-Aber-Kein-Gesicht-Profil bei Gayromeo anklickt, das ich mir nur wieder eingerichtet habe, um mir zum Trost von anderen Männern sagen zu lassen, dass ich schön bin ohne Kleider.
Das wirklich Beschissene in meinem speziellen Fall ist, dass ich alles, was ich jemals wollte, tatsächlich 5 Minuten hatte, und damit nun sämtliche Hoffnungen, die ich in den letzten vier Jahren schweren Herzens und mit viel Mühe begraben habe, wieder ausgebuddelt sind. Und alle halbwegs gebändigten Komplexe von heute auf morgen wieder Wellen schlagen, die ich in dieser Intensität nie erwartet hätte. Was kein schönes Schlusswort ist. Aber in meinem Leben findet sich leider nur all zu selten ein schönes Schlusswort.
Stattdessen: Musik. "I knew you were trouble" ('He was long gone when he met me - and I realize the joke is on me') von Jessie J, weil er Taylor Swift mochte; "Losing you" ('I don't know why I fight it, clearly we are through') von Solange, weil es mir im Prozess irgendwie in den Sinn kam und "Mercy" ('I'm not asking for a lot, just that you're honest with me. And my pride is all I got, I'm saying.. baby, please have mercy on me.') von Shawn Mendes, weil es neu ist und auch irgendwie passt sowie "Rise" ('When you think the final nail is in, think again.') von Superfruit (2/5 Pentatonix), Brian Justin Crum, Mario Jose und Mary Lambert, weil es mir irgendwann von YouTube vorgeschlagen wurde und einfach sensationell klingt und schließlich "Body Love" ('Girls like us are hardly ever wanted') von Mary Lambert, woran ich durch das vorherige Lied wieder erinnert wurde, und das sich einfach nur wunderbar in die alten Wunden schmiegt.
Und ich hab' mich mal wieder um Hilfe gekümmert, falls das irgendwen freut. Sind sie also endlich mal wieder auf dem neuesten, wenn auch nicht wirklich neuen Stand, und (überüberüberüberüber-; Edit)morgen kommen dann Urlaubsfotos, damit das hier jetzt nicht ein halbes Jahr ganz oben steht.
*plöpp*
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