Und da ist er auch schon ran, unser letzter, vollständiger Urlaubstag. Kinder, wie die Berichterstattung vergeht. Es war ein Sonnabend. Entsprechend hatte unsere fabelhafte Gastgeberin, die ausgerechnet in der Woche, in der wir kamen, ihre Werktätigkeit in Leeds begonnen hatte, auch mal einen ganzen Tag Zeit (der Hausherr war zum Klettern ausgeflogen), und so reisten wir zu dritt bester Laune ins ferne Harewood.
Und wenn man die Route sieht, könnte man meinen, dass wir da tatsächlich ein bisschen unterwegs waren. Denn Roundhay Park, den wir am Mittwoch besucht hatten, erscheint irgendwie schon nach nichtmal einem Drittel der Strecke, wenn sie nach rechts blicken, aber touristenfreundlich-flotter Überlandbusse sei Dank haben wir nichtmal nach Harewood viel länger als eine halbe Stunde gebraucht. Glaube ich. Ging auf jeden Fall schnell. Und selbst angekommen in Harewood, als wir hoffnungslos übermotiviert aufbrechen wollten, die lange Straße bis zum eigentlich Ziel-Anwesen abzuschreiten, kam uns ein kleines Fahrzeug entgegen und bot uns den kostenlosen Direkttransport zum Kassenhäuschen an. Die Dekadenz wollten wir uns auf einem solchen Anwesen natürlich nicht nehmen lassen. Dann gesellte sich auch noch eine kleine Raupe zu mir (siehe Bild, auf Finger) und die Frau am Kassenhäuschen wollte nur die Hälfte des Eintrittsgeldes, weil wir mit dem Bus angereist waren, und war dazu noch hin und weg von K.'s grünem Sommerkleid - der Ausflug hätte nicht erfolgreicher beginnen können.
Harewood House ist ein wunderschönes Anwesen, das über mehrere Jahrzehnte Princess Mary, Countess of Harewood Heimat war. Mary war die Tochter von King George V, damit die Schwester von King Edward VIII und King George VI, und damit die Tante von Queen Elizabeth II. Ich hab' mir heut' ein bisschen einen abgebrochen, bis ich die Thronfolge und die Verwandtschaftsverhältnisse begriffen hatte. Die heißen ja auch alle gleich. Auf jeden Fall eine sehr sympathische Frau. Denn das Gärtnern in den riesigen Anlagen von Harewood House war ihre große Leidenschaft. Ich glaube, sie war die Öko-Tante.
Angeschaut haben wir uns dann als Erstes das Herrenhaus (deutscher Wikipedia-Eintrag), wo man zum einen die Etage der Bediensteten, hübsch hergerichtet und ausführlich beschrieben, besichtigen konnte, und zum anderen die Wohnetage der gehobenen Herrschaften samt all der prunkvollen Räume, wo jede Hausfrau mit gesundem Menschenverstand grundsätzlich zuerst die arme Sau bedauert, die dort Staub wischen muss. Fotografieren war leider untersagt, so dass ich mir nur einmal den Adrenalinkick gegeben habe, auf den Auslöser zu drücken - aber das Bild war nix. Bleibt es also ihrer Phantasie überlassen, sich ein prunkvolles Schloss auszumalen.
Außerdem konnte man im Inneren des Hauses anlässlich des diamantenen Jubiläums der Queen noch eine Sonderausstellung mit zum Teil noch nie gezeigten Fotografien der königlichen Familie, aufgenommen von Hoffotograf Marcus Adams, bewundern, und nachdem wir auch das ausgiebig getan hatten, traten wir schließlich ins Grüne. So eine wunderschöne Anlage habe ich bis jetzt selten gesehen. Denn selbst hinter den fantastisch symmetrisch angelegten Hecken und dem Brunnen mit einem Nackten sah man auch noch in einen herrlichen Park, der im Gegensatz zur Anlage so gar nicht symmetrisch daher kam, dafür aber einen Tümpel hatte. Ganz toll. Und auch, wenn Mats Hummels mich wahrscheinlich niemals heiraten wird, aber falls jemand anders noch eine schöne Location sucht: Ich empfehle Harewood.
Und dem Gesamteindruck wurde dann schließlich sogar noch die Krone in Form des Bird Garden aufgesetzt. Ich war hin und weg. Haus im Grünen, Park mit Teich, symmetrischer Garten mit Brunnen, Sonne, und dann auch noch Vögel - ich glaube, meine Leidenschaften waren allesamt abgedeckt an diesem Tag.
Nach dem Bird Garden, in dem der kleine André eigentlich am liebsten für immer geblieben wäre, besichtigten wir noch den Himalayan Garden, einen ebenfalls unheimlich schönen, thematisch angelegten Garten mit allerlei Gewächs und so, und den Abschluss unserer kleinen Harewood-Rundreise bildete die All Saints Church.
Eine kleine Kirche, die von außen eher unscheinbar wirkt, aber immerhin eine der größten Sammlungen von Alabaster-Grabstätten im gesamten Vereinigten Königreich beherbergt. Und man kan drin heiraten.
Uns hat sie allerdings weder andächtig noch hochzeitlich gestimmt, und da wir allein im Gotteshaus waren, nutzen wir die Gunst des Moments lieber für eine flotte Fotosession. Ich finde, es gibt durchaus hässlichere Reisegruppen als uns.
Zurück in Leeds waren die Highlights ja aber noch nichtmal vorbei - denn wir hatten während der gesamten Woche noch kein einziges Mal Fish & Chips gegessen, und es wartete der Eurovision Song Contest 2012. Also ab zum nächsten Fish & Chips-Dealer, 3mal Fish & Chips (mit Mushy Peas, weil das für's deutsche Ohr so lustig klingt, wenn man es bestellt) gekauft, und dann zu Hause tiefentspannt mit einem Bier in der Hand vor den Fernseher gesetzt.
Ich war ja nicht für Loreen - meine persönlichen Favoriten waren stattdessen Greta Salome und Jonsi für Island (Platz 20), Soluna Samay für Dänemark (Platz 23) und Kaliopi F.Y.R. Mazedonien (Platz 13). Aber das eigentliche Highlight war ja Graham Norton, der BBC-Kommentator, der scheinbar Narrenfreiheit bei seinem Sender genießt. Oder der Moderationsstil im Vereinigten Königreich ist generell lustiger. Und YouTube sei Dank muss ich das nichtmal erklären. Hören sie selbst.
Dieser Samstag war wirklich mehr als nur ein würdiger Abschluss eines England-Aufenthalts, den ich jetzt, nachdem ich ihn für's Blog noch einmal durchlebt habe, am liebsten direkt wiederholen würde.
Morgen (oder Montag) dann noch mein Bericht zu unserer Heimreise, und dann bin ich leider auch im Blog schon wieder da. Aber schöne Erinnerungen sind mehr wert als als jedes Schnitzel mit zartem Spargel und cremiger Sauce Hollondaise.
*plöpp*
14.07.2012
Das kleine Reisetagebuch - England, Tag 8 (26.05.12)
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