Und nahtlos geht es weiter mit Tag 2, dem 20. Mai 2012. Den wir auch noch ganz und gar in Liverpool verbrachten. Wenn man schonmal in einer Stadt ist, und sei es nur die Zwischenstation, soll man die auch anschauen. Alte chinesische Weisheit.
Und um mir die Beschreibungsnot zu nehmen, habe ich mich heute mal feinster 2.0-Kunst bedient und unsere Route des gesamten Tages bei Google Maps nachgezeichnet, damit ich mir hier keinen abbrechen muss, ihnen zu erklären, wann wir wo abgebogen sind. Wobei die Streckenführung die von Google vorgeschlagene ist, nicht die tatsächliche, aber für die Orientierung reicht es allemal.
Sind wir also nach einem klassisch englischen Frühstück im Hostel (das ich in so einer ur-klassischen Form zum Glück das erste Mal erlebt habe - wir haben danach noch bei McDonalds gefrühstückt) aufgebrochen, eine Route zu beschreiten, die ich mir so in den Kopf gesetzt hatte. Ich hatte ja im Vorfeld daheim versucht, mich ein klein wenig zu belesen. Und hatte mich aufgrund der schwarzmalerischen Wikipedia-Beschreibungen schon das Schlimmste befürchtet. So wettertechnisch. Hatte aber insgeheim trotzdem die Hoffnung, dass vielleicht ja doch ein kleines bisschen schönes Wetter wird, oder dass es zumindest trocken bleibt, so dass wir möglichst viel an der frischen Luft machen können. Denn erstens bin ich nur sehr schwer von Museen zu begeistern, so lange nichts putziges Lebendiges ausgestellt ist, und zweitens bin ich zu Hause schon seit Beginn des Jahres zu einem Liebhaber grauer, wolkenverhangener Tage geworden, der bei strahlendem Sonnenschein lieber die Vorhänge zu zieht und wartet, dass es vorbei geht. Was aber wieder Thema für einen separaten Post wäre. Wollte ich auf jeden Fall mal vor die Tür im Urlaub.
Und wie es unser Reiseglück, das sich in diesem Urlaub auch endlich mal zu erkennen gab, so gut mit uns meinte, war uns das Wetter tatsächlich mehr als gewogen für englische Verhältnisse, und das sollte sich auch bis zur Abreise nicht mehr ändern.
Und so ging es vormittags vorbei am Chinatown Liverpools, wo man als Fan der chinesischen Kultur durchaus schon am großen Drachen-Bogen viele, schöne Fotomotive finden konnte, weiter in Richtung eines riesigen Kraftwerks.
Zumindest dachte ich, es wäre ein Kraftwerk, als ich es am Vortag in der Ferne aus dem Busfenster betrachtete. Stellte sich aber heraus, dass das die Anglikanische Kathedrale der Stadt Liverpool war. Die aufgrund dieser wuchtigen Bauweise noch beeindruckender wirkte, als Gotteshäuser ja manchmal so schon wirken können. Waren wir kurz drin, wollten wir kurz hoch, ging das aber nicht, weil Sonntag Mittag war. Das hätte sogar ich wissen können. War mir aber glaube ich auch bewusst, und trotzdem kann man ja mal rein schauen. Und sogar angesprochen wurden wir, von einem Altvorderen im feinen Zwirn, der, wie sich heraus stellte, sehr gutes Deutsch sprach, der aber etwas erschrocken drein blickte, als wir ihm sagten, dass wir aus Dresden kämen. Busted!
Die Anglikanische Kathedrale liegt am einen Ende der Hope Street - gleich am anderen Ende befindet sich die Metropolitan Cathedral, das katholische Gotteshaus der Stadt, das auch irgendwie baulich beeindruckt, allerdings aus ganz anderen Gründen, als der Koloss gegenüber. Irgendwie war die nämlich mal ganz anders geplant, und dann war aber das Geld alle, oder die Steine haben nicht mehr gereicht, oder die Kinder hatten keine Lust mehr, so dass der Entwurf auf der Hälfte verreckt ist und jetzt stark an das Berliner Tempodrom erinnert. Von außen ein bisschen befremdlich, von innen allerdings sehr schön - die Bilder kommen allerdings erst an späterer Stelle, denn auch die Katholiken haben Sonntag Mittag was Besseres vor, als Touristen durch's Gemäuer zu geleiten.
Hatten wir also die beiden Kirchen so zur groben Orientierung schonmal gesehen, und brachen dann auf zu meinem eigentlichen Wunschziel: Sefton Park. Ein großer, öffentlicher Park mit Seen und Wiesen und Bäumen und Eichhörnchen und als kleines Schmankerl auch mit einem Palmenhaus. Der Fußmarsch aus dem Stadtzentrum bis in den parklastigeren Süden der Stadt zog sich zwar etwas in die Länge, aber jung und dynamisch kann auch mal ein Stück laufen. Was wiederum den Vorteil hat, dass man an nicht enden wollenden Reihen von süßen, kleinen Backsteinhäuschen vorbei läuft, die sich zwar dann nach einigen Kilometern auch nur noch wiederholen, aber trotzdem unglaublich charmant anmuten, wenn der Standard, den man vor Augen hat, der Ostdeutsche ist.
Und irgenwann waren wir dann, nachdem wir die angeblich so hippe Lark Lane, auf der es aber überhaupt nichts Hippes oder Bohemes zu sehen gab, in Sefton Park angelangt, und in Sachen leicht auswärts gelegener Großgrünanlagen lässt sich ja der Engländer tatsächlich nicht lumpen. Sehr hübsch angelegt, sehr gepflegt, mit einem Plan des gesamten Parks samt sehenswerter Landmarks an jedem relevanten Eingang - da kann man nicht meckern. Und wenn dann dazu noch die Sonne ins grün scheint. Dann könnte man denken, man sei im Urlaub. Wobei die Parks wahrscheinlich auch bei schlechtem Wetter schön sind, wenn man über Gummistiefel und ein Regencape verfügt. In fröhlichem bananengelb.
Das Palmenhaus war, wie so viele Palmenhäuser, weniger, als man sich unter so einem klingenden Titel vorstellt, aber auch da war der Eintritt frei (meine ich), und die bunten Blumen, die zu bestaunen waren, waren auch sehr hübsch. Dazu eine kleine Peter Pan-Statue von 1928 davor, wo ich ja inzwischen auch schon anfange, zu all den Peter Pan-Statuen diesseits des Äquators zu pilgern, und ein paar Holzbänke auf der Wiese vor dem Palmenhaus, so dass ich in aller Seelenruhe mein Dosen-Carling schlürfen konnte... Schön.
Auch das Peterle, eine einheimische Taube, verkleidet als flauschiges Eichhörnchen - wunderschön.
Da ich aber noch ein anderes Schönwetter-Ziel im Liverpooler Umland hatte, konnten wir leider nicht einfach umfallen und einschlafen, sondern begaben uns dann auf den Rückweg, ich glaube mit dem Bus, um auf der Hope Street noch einmal beide Kirchen zu besuchen. In der Metropolitan Cathedral hatten es mir dann vor allem die kreisrund um den Altar angeordneten Bänke und die runde Buntglaskuppel angetan - in der Anglican Cathedral besonders der dicke Teddybär im Giftshop, der uns ganz lieb zu verstehen gab, dass der Tower schon geschlossen sei. Wir also nicht verzagt, Leitspruch des Travel Buddies war "Das könn'wer doch auch noch morgen machen.", und direkt weiter zum Bahnhof, von wo aus uns eine S-Bahn zur Hall Road Station in Crosby, einem Ort nördlich von Liverpool brachte. Wo sich am zum Ort gehörigen Crosby Beach die Kunstinstallation "Another Place" von Antony Gormley befindet - 190 Nachbildungen des Künstlers selbst, die auf einer Strecke von 3,2 km ins Meer schauen, vorher schon in Cuxhaven, Norwegen und Belgien gewohnt haben und 2005 schließlich am Crosby Beach stationiert wurden, wo sie nun wohl für immer stehen werden.
Auch sehr hübsch da. Also eine Weile durch's Watt gewatet, Muscheln gesammelt, Bilder gemacht und dann am Strand an eine Mauer gesetzt und das nächste Dosen-Carling geöffnet, um der Sonne Gesellschaft zu leisten, während sie sich langsam dem Horizont näherte. Eigentlich hätte ich die Zeit auch gern genutzt, um noch 1000 weitere Bilder zu machen, aber mit so einem Wattstrand ist es ein bisschen wie mit den Elbwiesen - wunderschön und idyllisch, aber fotografisch ein absolutes Schnarchfest.
Kurz bevor die Sonne dann ins Meer tunkte, fiel mir allerdings ein, dass das ja das letzte Mal sein könnte, dass wir sie zu Gesicht bekommen - Wetterberichten vertraue ich schon seit längerer Zeit nicht mehr - und deswegen sind wir noch vor Sonnenuntergang schnell in den Zug zurück nach Liverpool gestiegen, um dann am Albert Dock zuzusehen, wie der orange Ball im Meer verschwand.
Ich weiß nicht, wie ich das mit weniger Text machen soll. Ich habe doch so viel zu erzählen.
*plöpp*
04.07.2012
Das kleine Reisetagebuch - England, Tag 2.
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6 Kommentare:
Sehr schöne Aufnahmen und sehr schön geschrieben. Vielen Dank dass du uns (na ja auf jeden Fall mich) daran hast teilhaben lassen. LG
Sehr gern :)
Ich bin also auch einer deiner leidenschaftlichen Blogleser. Kann mich dem obgenannten anschliessen und freue mich IMMER über neues Futter :) weiter so und danke
Freut mich sehr, dass es immernoch Menschen gibt, die hier gern lesen und die sich auch über diverse Wege in mein Blog verlaufen, nachdem ich es so lange so arg habe schleifen lassen.
Ich habe ja schon oft Besserung gelobt, aber diesmal bin ich wirklich guter Dinge, dass es auch wirklich wieder besser wird ;)
LG!
Wo dich gerade so viele loben - möchte ich
mich gleich mal anschließen.ich lese deinen Blog sehr gerne und egal ob es um tütensuppen oder das leben im besonderen und allgemeinen geht - ich bin dabei :-)
Grüße ins wunderschöne Dresden!
..da geht mir ja richtig das Herz auf hier :)
Danke!
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